Wenn wir heute das Wort Yoga hören, denken die meisten von uns an kaum zu bewältigende Brezelhaltungen, die nur von Akrobaten oder ähnlich beweglichen Menschen ausführbar sind.
Und eines der meisten Gegenargumente ist: Yoga ist nichts für mich, ich bin nicht so beweglich.
Aber geht es darum, ultrabeweglich und supergelenkig zu werden? Nicht körperlich, eher als Nebeneffekt. Es geht vielmehr darum, die Bewegung in den Geist und den Verstand zu bringen. Das Körperliche kann uns auf dem Weg der Yogalehre unterstützen, ist aber nicht das Entscheidende, oder anders ausgedrückt: auch wenn du deine Zehen nicht mit den Fingerspitzen erreichen kannst, auch wenn du keinen Kopfstand kannst, auch wenn du nicht perfekt im Lotussitz ankommst, bewegt der Weg in die Richtung schon deinen Geist, deine Haltung, dein Umgang mit dir und mit deiner Umwelt. Für mich ist Yoga eine lebenslange Lehre, mal praktiziert man mehr körperlich, mal mehr geistig, aber einmal auf den Weg gekommen, hört man eigentlich nicht mehr auf, sich zu „bewegen“.
Aber was bedeutet das Wort Yoga eigentlich?
Es gibt viele Übersetzungen und Interpretationen, wie z.B. „zusammengekommen sein“, „vereinigt sein“, aber auch „die Bewegungen des Geistes bündeln“. Mir gefällt folgende Bedeutung sehr gut: „etwas erreichen, was bisher unerreichbar war“. Diese Bedeutung bezieht sich sowohl auf das Körperliche als auch auf das Geistige. Werde ich durch die Yogapraxis beweglicher und komme tiefer in eine Haltung als davor, habe ich etwas erreicht, was mir vorher unerreichbar erschien. Ebenso wenn ich etwas dazulerne durch das Lesen eines Textes oder durch Gespräche, die meine Sicht erweitern, erlange ich Bewegung und Veränderung im Geiste.
Eine weitere wichtige Bedeutung des Wortes Yoga ist die Aufmerksamkeit des Handelns. Durch Yoga können wir lernen einen Zustand zu erreichen, indem wir immer wirklich gegenwärtig sind, d.h. in jeder Handlung vollkommen bewußt und aufmerksam zu sein.
Yoga wird auch definiert als „mit dem Göttlichen eins sein“. Diese Definition finde ich in vielen Situationen, die uns aus unserer Mitte bringt, sehr hilfreich, erinnert sie uns doch gleich wieder, wer wir wirklich sind, auch wenn unser Verstand wütend, verärgert oder genervt ist. Und schon ist man milder gestimmt und dadurch auch wieder mehr in seiner Mitte.
Aber was bedeutet eigentlich „Aufmerksamkeit“ und „Achtsamkeit“ in einer Welt wie wir sie heute haben, wo sich die meisten viel lieber mit allem Möglichen abzulenken versuchen?
Ist das noch erstrebenswert? Meiner Meinung nach mehr denn je. Aufmerksamkeit und Achtsamkeit verstanden als aufmerksamen und achtsamen Umgang mit mir selbst kann mir in einer „wilden Zeit“ sehr viel Halt geben. Sie lehren mich, darauf zu achten, was ich an mich rankommen lasse, was ich von mir fernhalten sollte und wie ich beides voneinander unterscheiden kann. Bin ich achtsam mir selbst gegebenüber, nicht egoistisch, bitte nicht falsch verstehen, bin ich auch achtsam anderen gegebenüber und kann viel leichter Verständnis sowohl für mich als auch für andere entwickeln. Wie man das lernt ist eigentlich egal, mir hat Yoga hier aber sehr geholfen, in den Anfängen vor allem in Bezug auf mich selbst. Der Rest ergibt sich tatsächlich von allein.
Und was wäre schöner als in einer Welt zu leben, in der wir aufmerksam, achtsam, verständnisvoll und friedlich miteinander umgehen und leben?
Namasté,
Michele
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